TN(V)R – TRAP NEUTER (VACCINATE) RETURN
Humanes und integratives Populationsmanagement freilebender Katzenkolonien
Warum TNR / TNVR?
Freilebende Katzen – im Deutschen oft als Straßen-, Streuner- oder verwilderte Hauskatzen bezeichnet – sind in vielen urbanen und stadtnahen Ökosystemen ein beständiger Bestandteil des Stadtbildes. Ihre Präsenz resultiert sowohl aus aktiver Aussetzung als auch aus unkontrollierter Reproduktion frei geborener Tiere.
Populationsdichten variieren stark und hängen von Ressourcenverfügbarkeit, klimatischen Bedingungen und menschlicher Toleranz ab. In Gebieten mit reichlich Futterquellen – etwa offenen Müllcontainern, Futterstellen oder landwirtschaftlichen Betrieben – kann die Populationsdichte sehr hoch sein. Dies hat Implikationen für Tiergesundheit, Auftreten von Zoonosen, Artenschutz, und öffentliche Wahrnehmung.
In den letzten Jahrzehnten hat sich TNR (Trap–Neuter–Return) als tierschutzgerechter Standard zur Bestandskontrolle etabliert. Die TNVR-Erweiterung integriert zudem den Aspekt der Impfung (Vaccinate), insbesondere gegen Tollwut (in Endemiegebieten), Katzenschnupfen-Komplex und Panleukopenie, wodurch sowohl das individuelle Tierwohl als auch die kollektive Gesundheit der Kolonie nachhaltig verbessert werden können.
GRUNDPRINZIPIEN VON TNVR
Trap (Fangen):
Neuter (Kastrieren) & Vaccinate (Impfen)
Chirurgische Sterilisation männlicher und weiblicher Tiere zur Unterbindung der Fortpflanzung. Schutzimpfungen nach veterinärmedizinischen Standards, um Krankheitsinzidenzen zu senken.
Return (Zurücksetzen)
Ziele:
- Reproduktionsstopp → Langfristige Populationsreduktion ohne „Vacuum-Effekt“.
- Gesundheitsverbesserung → Verringerung der Prävalenz von Infektionskrankheiten.
- Soziale Stabilisierung → Reduktion von Aggressionsverhalten und Lärmbelästigung durch Revierkämpfe und Paarungsrufe.
Der TNR-Prozess – Vorbereitung, Durchführung, Nachsorge
Erfolgreiches Einfangen erfordert sorgfältige Planung und Kenntnis der Koloniedynamik:
- Bestandsaufnahme: Zählung der Individuen, Identifizierung bereits kastrierter Katzen (Ear-Tip), Notieren besonderer Merkmale (Verletzungen, Fellfarbe, Verhalten).
- Fütterungsroutine etablieren: Über mindestens 1–2 Wochen werden feste Fütterungszeiten und -orte eingerichtet. Ziel ist, dass alle Tiere regelmäßig zur selben Zeit am selben Ort erscheinen.
- Gewöhnung an Fallen: Lebendfallen (z. B. Tomahawk-, Tru-Catch-Fallen) können zunächst fixiert und offen aufgestellt werden, um den Tieren die Scheu zu nehmen.
- Stakeholder-Kommunikation: Abstimmung mit Anwohnern, Grundstücksbesitzern, Tierschutzorganisationen und ggf. Veterinärbehörden.
- Fangzeitpunkt: Meist frühmorgens oder in der Dämmerung, wenn die meisten Tiere aktiv sind und Hunger haben.
- Nahrungsentzug: In der Regel wird 12–24 Stunden vor dem Fangtag keine Fütterung vorgenommen, um die Fangbereitschaft zu erhöhen.
- Vorbereitung der Fallen: Jede Falle wird mit saugfähigem Material (z. B. Zeitung) ausgelegt und mit geruchsintensivem Futter (Fisch, Nassfutter) bestückt.
- Platzierung: Fallen werden an bekannten Aufenthaltsorten aufgestellt, möglichst windgeschützt und ohne direkte Sonneneinstrahlung.
- Überwachung: Gefangene Tiere sollten maximal 1–2 Stunden in der Falle verbleiben, bevor sie in eine Transportbox umgesetzt oder direkt zur tierärztlichen Versorgung gebracht werden.
- Weibliche Katzen: Ovariohysterektomie (Entfernung von Eierstöcken und Gebärmutter).
- Männliche Katzen: Kastration mittels Skrotalschnitt oder präskrotalem Zugang.
- Impfungen:
- Pflicht in Endemiegebieten:
- Empfohlen allgemein: Kombinationsimpfstoffe gegen felines Herpesvirus (FHV-1), felines Calicivirus (FCV) und felines Panleukopenievirus (FPV).
- Kennzeichnung: Ear-Tip (1 cm Spitze des linken Ohrs entfernt), ggf. Mikrochip.
- Aufwachphase: Tiere verbleiben in sicheren, gut belüfteten Boxen bis zum vollständigen Erwachen aus der Narkose.
- Beobachtungsdauer:
- Männlich: In der Regel 12–24 Stunden.
- Weiblich: 24–48 Stunden, um Komplikationen nach Bauchoperation auszuschließen.
- Kontrolle: Überprüfung auf Blutungen, Infektionszeichen, Narkosenachwirkungen.
- Rückführung: Am ursprünglichen Futterplatz aussetzen, vorzugsweise in den frühen Morgenstunden, um Stress zu minimieren.
- Infektionsschutz: Verminderung von Ausbrüchen in Kolonien, insbesondere bei respiratorischen Erkrankungen.
- Öffentliches Gesundheitswesen: Minimierung zoonotischer Risiken (Tollwut).
- Langfristige Kostenreduktion: Weniger krankheitsbedingte Tierarztbesuche und geringere Euthanasieraten.
- Hoher Ressourcenbedarf: Personal, Ausrüstung, Impfstoffe, Nachsorgeplätze.
- Logistische Komplexität: Erreichen aller Tiere, insbesondere scheuer oder saisonal abwandernder Individuen.
Fazit: